Vorträge
Alle Vorträge finden jeweils von 18:30 – 20:00 Uhr im Landgrafensaal des Hessischen Staatsarchivs Marburg statt.
Die Zeit in Marburg war eine Zeit voller Anfänge für die damals noch sehr junge jüdische Studentin Hannah Arendt (1906-1975), die mit ihren politischen Schriften nach ihrer Emigration zu einer der wichtigsten Intellektuellen des 20. Jahrhunderts wurde: Die Grundsteine für ihre Begeisterung für Philosophie, aber auch für Poesie wurden hier gelegt, ihre ,Liebe zur Welt‘ geweckt. Weniger die biografischen Anfänge sollen im Vortrag eine Rolle spielen als ihr Konzept des Anfangs als einer zweiten Geburt und die Bedeutung der Literatur: Arendts Gratwanderung zwischen Philosophie und Poesie wird in ihren politischen Schriften, in ihren biografischen Korrespondenzen und auch in den immer noch wenig bekannten eigenen Gedichten nachvollzogen. Dabei wird es Einblicke in ihr spannendes globales Netzwerk mit Dichter:innen und Denker:innen geben sowie in ihre bis heute überaus anregende Konzeption von Weltphilosophie und Weltliteratur: Auch als Vermittlerin hat Arendt heute nämlich wieder eine Vorbildfunktion, als eine Vermittlerin, die nicht Ergebnisse der Wissenschaft, sondern deren Prozesse im öffentlichen Raum kommuniziert und zum kritischen Denken animiert.
Anhand der Marburger Studierendengeschichte des 20. Jahrhunderts soll schlaglichtartig aufgezeigt werden, dass studentische Radikalisierungsprozesse in Wellen stattfinden, denen stets Perioden relativer Ruhe folgten. Obgleich es auf dem Höhepunkt der studentischen Proteste und Gewaltakte so ausgesehen haben mag, als würden die Studierenden dauerhaft aufbegehren, so ist studentische Gewalt doch eher eine Ausnahme, die nur von einer Minorität angewandt wird. Im Mittelpunkt des Vortrages stehen ausgewählte Fallbeispiele, u.a. das „Massaker von Mechterstädt“, der Radauantisemitismus und Professorenboykott des NSDStB sowie die 68er-Bewegung. Weiterhin thematisiert wird die Radikalisierung Ulrike Meinhofs, die bekanntlich an der Philipps-Universität studierte. In einem kurzen Ausblick auf die jüngere Vergangenheit der mittelhessischen Hochschule soll abschließend diskutiert werden, ob sich die Geschichte studentischer Gewaltakteur:innen auch als eine Problemgeschichte der Gegenwart lesen lässt.
Die Germanistik verdankt Jacob Grimm (1785–1863) und Wilhelm Grimm (1786–1859) mit ihrem monumentalen „Deutschen Wörterbuch“ das umfassendste lexikographische Werk des Deutschen, mit Jacobs „Deutscher Grammatik“ (1819) beginnt überhaupt erst die historisch-vergleichende germanistische Sprachwissenschaft. Mit den „Kinder- und Hausmärchen“ (1812) leisten die Grimms eine Editions- und Sammeltätigkeit, der über die Wissenschaft hinaus ein enormer Erfolg beschieden war. Gerade dieser Teil ihres Schaffens prägt, etwa mit dem „Grimm-Dich-Pfad“, heute das Stadtbild Marburgs. Wie aber gestaltete sich die Beziehung der Grimms zu Stadt und Universität? Die Brüder studierten ab 1802 in Marburg, wobei der Rechtsgelehrte Friedrich Carl von Savigny besonders prägend war, verließen allerdings Marburg schon nach wenigen Semestern wieder. Die größte Arbeit an ihren Märchensammlungen etwa geschah erst später in Kassel, und das gilt umso mehr für die anderen oben genannten Werke. Dass die Grimms von der Stadt nicht allzu viel hielten, zeigt das bekannte, u. a. auf der Schlosstreppe aufgemalte Zitat („[…] die Stadt selbst aber [ist] sehr hässlich“), doch inwiefern war die Studienzeit wichtig für ihr späteres Schaffen? Der Vortrag widmet sich der Marburger Zeit der Brüder Grimm und den Prägungen und Anregungen, die sie in Marburg bekamen.
Auf einem Streifzug durch die Geschichte der Stadt Marburg und ihrer Universität begegnen wir bekannten und unbekannten jüdischen Menschen, Orten, Geschehnissen und Schicksalen. Neben einigen bekannten Namen spielen eher unbekannte Menschen und Orte eine Rolle, historische Be- und Gegebenheiten werden in den Blick genommen, auch Vorurteile und Ausgrenzung werden thematisiert.
Dabei geht es vor allem um spezifische, jüdisch geprägte Erfahrungen und Sichtweisen auf das Leben und die Situation in Marburg im Laufe der über 700jährigen Geschichte von Marburger Juden. Es geht darum jüdisches Leben in Vergangenheit und Gegenwart am Beispiel Marburg zu beleuchten, um einen facettenreichen Blick in die jüdische Lebenswelt in all ihrer Vielfalt und Diversität und darum Aspekte äußerer und innerer Verschiedenheit und Gemeinsamkeit mit der Mehrheitsgesellschaft sichtbar zu machen. Denn der Blick auf das Judentum im Bewusstsein der Schoah lenkt heute davon ab, Jüdinnen und Juden einfach nur als Teil der Gesellschaft wahrzunehmen, so wie sie selbst von jeher wahrgenommen werden wollen. Der Streifzug beginnt im Mittelalter, führt über die Zeit zunehmender Akzeptanz durch die dunkelsten Zeiten für Juden, die Schoah, bis in die Gegenwart und soll schließlich auch einen Blick darüber hinaus in die Zukunft eröffnen.
Das preußische Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten genehmigte im Vergleich zu anderen deutschen Ländern erst recht spät, im August 1908, Frauen zur Immatrikulation zuzulassen. Allerdings durften in Preußen schon ab dem Wintersemester 1894/95 Frauen als (Gast-)-Hörerinnen, sie wurden auch Hospitantinnen genannt, Vorlesungen besuchen. Das Ministerium wollte damit vor allem Lehrerinnen die Möglichkeit eröffnen, sich weiterzubilden, damit sie die Prüfung zur Oberlehrerin absolvieren konnten. Für den Vorlesungsbesuch mussten sie die Erlaubnis des Ministeriums, des Rektors und der Dozenten einholen. Viele Professoren weigerten sich aber vor Frauen zu lehren und kritisierten, dass Frauen ohne Abitur als Hörerinnen zugelassen wurden. Auch an der Universität Marburg führte der Besuch der ersten beiden Hörerinnen im Sommersemester 1895 zu einem Eklat, da der damalige Rektor ein strikter Gegner des Frauenstudiums war. Doch der Großteil der Marburger Professorenschaft war dem Frauenstudium gegenüber eher positiv eingestellt. Die Marburger Medizinische Fakultät gehörte zu den ersten Fakultäten in Deutschland, die Frauen zu den medizinischen Staatsexamina zuließ und promovierte im Jahre 1905 die japanische Ärztin Tadako Urata. Nur zwei Jahre später vergab die Marburger Juristische Fakultät den Doktortitel an Alix Westerkamp. Sie war damit die erste in Deutschland promovierte Juristin. Mein Vortrag wird zeigen, dass einige Frauen – trotz vieler Hindernisse – in Preußen schon vor der Einführung des offiziellen Frauenstudiums ihre Karrierewege verfolgen konnten.
Morgens den Wecker hören, zweimal auf Snooze drücken, dann doch aufstehen; ins Bad, dabei den Kaffee durchlaufen lassen, den Kaffee runterstürzen, anziehen, zum Bus rennen oder aufs Rad steigen, das akademische Viertel nutzen um auf dem Weg noch ein Brötchen bei der Bäckerei zu kaufen. Dieser oder ähnliche Abläufe spielen sich in Marburg jeden Tag tausendfach ab, wenn Studierende sich auf den Weg in ihren Alltag machen. Aber wie sah das vor 50 Jahren aus, kurz nach der 68er-Bewegung? Oder vor 100 Jahren, zwischen den Weltkriegen, mit Kommilitonen die zuvor noch in Thüringen als Teil von Freikorps Morde begangen hatten? Oder vor 200, 300, 400 Jahren? Diesen und anderen Fragen nach dem Marburger Studierendenalltag zwischen 1527 und 2022 widmet sich Phillip Höhre in seinem Vortrag. Anhand exemplarischer, die Jahrhunderte überspannender 24-Stunden-Tagesabläufe, die durch Quellenarbeit und Sekundärliteratur rekonstruiert werden, wird zu einer „Zeitreise“ eingeladen, die neben einer Geschichte der Marburger Studierendenschaft auch die Geschichte der Stadt selbst mitverfolgt. Mittels dieses Einblicks in die Vergangenheit versucht der Vortrag spielerisch, sich der Frage nach den Veränderungen im Studierendenleben anzunähern.
Führungen
18 bis ca. 19:30 Uhr, Treffpunkt: Alte Universität (Eingang Reitgasse). Um Voranmeldung bis zum 10.06. wird gebeten: fachschaft06@lists.uni-marburg.de
Über mehr als drei Jahrhunderte dienten die drei ehemaligen Marburger Stadtklöster der Universität als Gebäude nicht nur für das Lehren und Lernen, sondern auch zum Wohnen für Professoren und Studierende. Erst seit dem 18. Jahrhundert kam es zu größeren Umbauten und schließlich auch zu wenigen Neubauten, bevor dann im späten 19. Jahrhundert zahlreiche Kliniken und Institutsgebäude vor allem für die Naturwissenschaften errichtet wurden. In einem eineinhalbstündigen Rundgang durch die Oberstadt wollen wir die Universitätsgebäude, aber auch private Gebäude, die zu Wohnzwecken und für die Lehre dienten, aufsuchen. Auf die jüngeren Neubauten blicken wir von ferne.
Je eine Führung um 17 Uhr und um 18 Uhr. Treffpunkt: Alte Universität (Eingang Reitgasse). Verbindliche Voranmeldung bis zum 12.06 notwendig. Anmeldung unter: fachschaft06@lists.uni-marburg.de
Führung um 17 Uhr: ausgebucht, Warteliste
Führung um 18 Uhr: ausgebucht, Warteliste
Frühneuzeitliche Universitäten waren privilegierte Körperschaften mit eigenen Rechten und Freiheiten und auch einer eigenen Gerichtsbarkeit. Für alle Fälle unterhalb der Kapitalverbrechen war der Rektor Gerichtsherr. Im 19. Jahrhundert wurde diese Gerichtsbarkeit immer weiter eingeschränkt. Seit 1877 blieb der Universität nur noch eine Disziplinaraufsicht über die Studierenden, die sie bis 1968 ausübte. Der Karzer war somit das Gefängnis der Universität. Der heutige Karzer wurde allerdings erst 1879 errichtet, diente also nur zur Sanktionierung von Verstößen gegen die Disziplin. Zwischen 1907 und der Mitte der 1920er Jahre sowie seit 1931 beherbergte er keine Studenten mehr – Studentinnen wurden nie zu einer Karzerstrafe verurteilt – und ist seitdem eine Sehenswürdigkeit mit ein wenig Gänsehautgefühl.
Lehrveranstaltung
Im Sommersemester 2022 wird Prof. Dr. Sabine Mecking eine Übung in der Neueren & Neuesten Geschichte anbieten, unter dem Titel „Studierendengeschichte(n) – 495 Jahre in Stadt und Uni“. Die Übung wird Mittwochs von 18-20 Uhr stattfinden und beinhaltet den Besuch der Abendvorträge. Die Lehrveranstaltung bietet eine Publikationsmöglichkeit im Rahmen des Projekts.
Die von den Studierenden erarbeiteten Ergebnisse sind online auf dieser Homepage zu lesen und zu hören.