Mit einem fulminanten Start hat die Vortragsreihe rund um die „Studierendengeschichte(n)“ begonnen. Vor einem vollem Saal – dank sechs zusätzlich beschaffter Stühle konnten gerade so alle Hörer:innen Platz finden – eröffnete Vizepräsidentin Prof. Dr. Evelyn Korn die Veranstaltung. „Ich kriege heute immer wieder die Rückmeldung, dass Marburg eine sehr weltoffene, liberale Stadt ist. […] So gibt es also für diese Reihe wirklichen allen Grund, und ich freue mich, dass sich die Studierenden mit den Spuren, die diese Generationen von Menschen hier hinterlassen haben, beschäftigen. Es ist das ein oder andere dabei, was fröhlich und heiter ist. […] Ich bin Ihnen aber auch sehr dankbar, dass Sie auch Unrühmliches und Ernstes nicht ausgelassen und das miteinbezogen haben. […] Für ihren Einsatz für dieses gelungene Projekt danke ich den Initiator:innen und den Beitragenden sehr und wünsche Ihnen, liebe Hörer:innen, viel Freude an den Veranstaltungen, Texten, Interviews und Podcasts.“

Dass der Rückblick auf Studierende bzw. die Studienzeit neue Perspektiven und Einsichten für die Forschung erweisen kann, stellte Professorin Doren Wohlleben in ihrem Vortrag zu Hannah Arendt als „Dichterische Denkerin der Welt“ fest. Die Marburger Jahre von Hannah Arendt, die hier 1924-1926 an der Philipps-Universität studierte, werden meist auf die biografische Liebesgeschichte mit ihrem akademischen Lehrer Martin Heidegger reduziert. „Ich möchte diese Facetten heute erweitern und Sie vielleicht auch neugierig machen auf die Texte Arendts, die weniger bekannt sind – nämlich die frühen Gedichte von ihr“, so Wohlleben. Von den Gedichten, die Arendt geschrieben hat, ist der Hauptteil während der drei Semester in Marburg entstanden. Sie zeichnen sich durch eine große Melancholie aus, sind fast schon depressiv – sie wird von suizidalen Gedanken verfolgt, als sie sich Heidegger anvertraut, tut er diese ab. In einem bis heute unveröffentlichten Text, der den Titel „Die Schatten“ trägt und ihm gewidmet ist, spricht Arendt nach heutigen Maßstäben autofiktional über ihre Gefühle. „Obwohl sie Heidegger einen Einblick in ihr Seelenleben geben möchte, schreibt sie über sich in einer dritten Person und baut dadurch natürlich auch eine Form der ironischen Distanz auf“ – für ebendieses distanzierte, ironische Sprechen wird besonders die ältere Arendt bekannt. Der Text, der in der Library of Congress aufbewahrt wird, öffnet eine neue Perspektive auf die junge Studentin, die in Marburg nicht nur ihr Interesse für Philosophie, sondern auch ihre Begeisterung für Poesie entdeckte.
Im Anschluss an den Vortrag ermöglichte das schöne Frühlingswetter die Verlagerung des Sektempfangs vom Foyer des Staatsarchivs ins Freie. Für das leibliche Wohl war dank des tollen Caterings von Bornemann gesorgt und die Anwesenden waren noch lange in einen angeregten Austausch vertieft.

Für die überaus interessanten Einblicke in Arendts Texte und Gedichte und den tollen Vortrag danken wir Prof. Dr. Doren Wohlleben sehr herzlich.

Für die feierliche Eröffnung des Abends und den unterstützenden Zuspruch zum Projekt möchten wir unser Vizepräsidentin Prof. Dr. Evelyn Korn ebenfalls herzlich danken.

Dr. Katrin Marx-Jaskulski hat ermöglicht, dass wir nicht nur die Eröffnungsveranstaltung, sondern alle Abendvorträge im Hessischen Staatsarchiv begehen können, worüber wir uns ungemein freuen. Also herzlichen Dank im Namen der gesamten Fachschaft, dass Sie uns die Türen geöffnet haben und dieses wunderschöne Ambiente bieten!

Einer Person möchten wir noch ganz besonders danken, ohne die es die Studierendengeschichten so nie gegeben hätte: Prof. Dr. Sabine Mecking. Neben der engen Begleitung des Projekts, Hilfe bei Projektanträgen und der Publikation einiger Beiträge im Hessischen Jahrbuch stammte auch Idee und Anreiz, sich mit „Studierenden“ zu beschäftigen, von ihr. Herzlichen Dank für Anspornung, Ideen und Unterstützung!

Jana Buchert

28.04.2022

Die gesammelten Gedichte sind nachzulesen:

Hannah Arendt, Ich selbst, auch ich tanze. Die Gedichte. München/ Berlin 2015