Die Gebrüder Grimm sind wohl eines der bekanntesten Geschwisterpaare Deutschlands. Ihrer Gesichter schmückten schon Briefmarken und Geldnoten und auch im Marburger Stadtbild sind sie äußerst präsent. Mit diesen Einblicken eröffnete Prof. Dr. Jürg Fleischer seinen Vortrag im Rahmen der Vortragsreihe „Studierendengeschichte(n)“. Es sollte um die Einflüsse der Studentenzeit von Jacob und Wilhelm Grimm in Marburg auf ihre späteren Werke gehen.

Dabei standen nicht nur die Kinder- und Hausmärchen im Fokus des Vortrags, sondern auch die Arbeit der Brüder am „Deutschen Wörterbuch“, Jakobs „Deutsche Grammatik“ sowie weiterer Einzelwerke eines der Brüder: meist  Editionen und Arbeiten zu alt- und mittelhochdeutschen Texten. Denn beide waren äußerst produktiv und veröffentlichten hunderte von Schriften. So sind maßgebliche Entwicklungen der Sprachwissenschaft, wie die Einteilung des Deutschen in Sprachstufen und die Ausformulierung eines Lautgesetzes (zur ersten Lautverschiebung), auf Jacob Grimm zurückzuführen. Noch heute wird dieses im Englischen „Grimm’s Law“ genannt.

Zu der Studienzeit der Grimms erzählte Prof. Fleischer, dass beide das Studium der Jurisprudenz belegten und die germanistische Arbeit erst nach ihrem Studium aufnahmen. Einen großen Einfluss auf die Beiden hatte, während ihrer Zeit als Studenten, der Rechtshistoriker Friedrich Carl von Savigny. Es habe aber nicht nur dessen Lehre Einfluss auf die Beiden gehabt, sondern auch der Umstand, dass die Brüder Zugang zu seiner Bibliothek bekamen, prägte sie. Darüber hinaus arbeitet Jacob später für und mit Savigny bei einem Forschungsaufenthalt in Paris, der zur der ersten von einigen „Bibliotheksreisen“ Jacobs wurde. Savigny und die Brüder blieben aber auch nach deren Studienzeit in Kontakt. Der Grimmsche Teil dieser Briefkorrespondenz ist heute in der UB Marburg zu finden.

Die Zeit in Marburg und der Kontakt zu Savigny habe, laut Fleischer, die Gebrüder auf verschieden Weisen geprägt: so haben sie methodische Impulse erhalten und auch, über Savignys Ehefrau, die „Marburger Romantiker“ um Clemens Brentano getroffen. Des weiteren haben sie Savignys historische Methoden auf ein neues Feld angewandt und so wesentlich zur Etablierung der Germanistik als eigenem Fach beigetragen. Im Bezug auf die Märchen stammen wohl zwei von Gewährspersonen aus Marburg, was aber keinen großen Marburger Einfluss in diesem Sinne zeigt.

Zu der Universität hätten die beiden Brüder kein inniges Verhältnis gehabt. Wilhelm beendete sein Studium 1806 mit dem Examen , während Jacob der Jurisprudenz nach dem Aufenhalt in Paris ohne Abschluss den Rücken kehrte. Sie erlebten die Universität wohl zudem in einer schlechten Phase mit auch nur wenigen Studierenden.

1818 erhielten beide Brüder Ehrendoktorwürden von der Philipps-Universität, doch waren sie wohl nicht zu sehr erfreut über die Ehre, vor allem wegen der anfallenden Kosten. Bezeichnenderweise schrieb Jacob über die Verleihung an Savingy: „Die philosoph. Facultät zu Marburg hat uns beide mit einem Doctordiplom bedacht, ohne alle unsere Schuld. Ich wolle, statt Ehren zu creiren hielte sich die Universität selbst bei Ehren und Würde […]“. 

Zum Ende des Vortrags zeigte sich ein gespaltenes Bild der Marburger Zeit: schlechten Assoziationen, ein Studienfach, dass beide bald hinter sich ließen und akademische Lehrer, die, mit wenigen wichtigen Ausnahmen, selten überzeugten; der Kontakt zu Savigny und Möglichkeiten im studentischen Leben hatten aber auch anhaltende positiven Einflüsse auf das Grimmsche Schaffen.

Wir danken Prof. Dr. Jürg Fleischer recht herzlich für den äußerst lehrreichen und tollen Vortrag.

Björn Haselhuhn

14.05.2022