Im letzten Abendvortrag der Vortragsreihe „Studierendengeschichte(n) – 495 Jahre zwischen Stadt und Uni“ haben sich nochmal viele Themen aus vorrangegangen Vorträgen wieder gefunden. Phillip Höhre veranschaulichte den Zuhörenden anhand von Illustrationen und fiktiven Geschichten „Marburger Studierendenalltage durch die Jahrhunderte“.

Der Vortrag beruhte auf der Idee „Geschichte durch Geschichtserzählung“. Die exemplarischen Tagesabläufe einzelner Studierender aus verschiedenen Zeiten wurden anhand von Geschichten mit fiktiven Protagonisten nachvollzogen. Die dabei gewährten Einblicke in die verschiedensten Jahrhunderte fußten auf Quellen und Literatur. Schlaglichter führten in die Jahre 1531, 1607, 1689, 1764, 1811, 1902, 1921, 1968 und schloss ab mit einem kurzen Einblick in das Jahr 2022. Die Geschichten wurden immer wieder angereichert durch überlieferte Gegebenheiten zum Studium in Marburg und durch Illustrationen.

Der Start des Vortrags führte in das Jahr 1531 und berichtete über den Medizinstudenten Ludwig von Baumbach (siehe Illustration unten). Dieser lebte bei seinem Professor und war ein Präzeptores. Ein Präzeptores ist ein Student gewesen, der „entgeltlich von jüngeren Studierenden dafür entlohnt [wurde], Mitverantwortung für den guten Verlauf ihres Studiums zu übernehmen.“ Dieser lebte in diesem Fall, weil sein Studium von den Eltern finanziert wurde, bei seinem Professor. Die Finanzierung enthielt auch die regelmäßige Versorgung mit Essen und mit anderen Notwendigkeiten. Als Alternative gab es die Stipendiatenanstalt. Diese bot Unterkunft, Finanzierung und Verpflegung für Studierende, die eine Aufnahmeprüfung an der Universität bestanden hatten.

Berichtet wurde von der Unterrichtung im Collegium Philosophicum, welches in den Räumlichkeiten des ehemaligen Barfüßerklosters entstand und im Elisabeth Hospital. Der besagte Professor, bei dem Ludwig lebte, war Euricius (Eurich) Cordus (1486-1535), der Professor der Medizin an der Universität Marburg war und 1529 sowie -33 weiterhin ihr Rektor war.

Im Jahr 1531 sowie aber auch den Jahren 1607, 1689, 1764 und auch den darauffolgenden Schlaglichtern wird immer wieder von Gewalt berichtet und auch dem damit einhergehenden Konflikt mit der Stadtbevölkerung. Es wurde schon 1607 von „Tischgemeinschaften“ berichtet, welche eine Rolle in den Studentischen Leben spielten und in deren Kontext immer wieder von Gewalttaten und hohem Alkoholkonsum berichtet werden. Dabei kann man bei den „Tischgemeinschaften“ auch von Vorläufern von Verbindungen sprechen, welche schon aus festen Gruppen von Personen bestand, aber noch nicht so institutionalisiert war wie Verbindungen es später waren.

Im Jahr 1811 ging es um einen jüdischen Studenten und es wird davon berichtet, dass es trotz antisemitischer Tendenzen in der Gesellschaft, zu kollegialem Miteinander zwischen jüdischen und nichtjüdischen Studierenden in Marburg kommt. In dem Schlaglicht aus dem Jahr 1902 geht es um eine Gasthörerin und um die Schikanen, welche die Studentin erlebt. Ob es der kritische Blick des Professors ist, weil sie in seiner Vorlesung sitzt oder der Rauswurf aus der Bibliothek, weil sie nicht als Studentin eingeschrieben ist, was ihr als Frau aber auch noch nicht möglich war.

Über die unkritische und glorifizierte Wahrnehmung der Ereignisse aus Mechterstädt, im Rahmen des verübten Massakers durch Marburger Studenten, wird in dem Schlaglicht zu dem Jahr 1921 berichtet. Es wird erzählt das einer der Mörder von Mechterstädt zu Besuch bei einer Marburger Verbindung sei und dort von allen gefeiert wird. „Die Mörder von Mechterstädt wurden in mehreren sogenannten Studentenprozessen angeklagt, entgingen allerdings den Konsequenzen für das Massaker.“

1968 wird berichtet von den Protesten rund um den 1.Mai, bei dem linke Marburger Studierenden und Verbindungsstudenten aneinandergeraten. Die Universität und deren Umfeld wird also immer wieder als ein mit Konflikten aufgeladener Raum dargestellt und auch als ein politischer Raum.

Der Vortrag endete mit der Darstellung wie Phillip Höhre sich an dem Tage auf seinen Vortrag vorbereitet hat.

Wir danken dir Phillip für deinen äußerst lustigen, zu teilen aber auch ernsten Vortrag recht herzlich. Man konnte sich wunderbar von dir in verschiedene Jahrhunderte mitnehmen lassen und spannende neue Perspektiven gewinnen.

Björn Haselhuhn

04.06.2022